Du willst einfach nur, dass dein Kind sich die Zähne putzt. Stattdessen rennt es kreischend davon und du brüllst hinterher.
Danach kommt das schlechte Gewissen.
In diesem Artikel geht es weder um Schuld noch um Erziehungsfehler. Sondern um Ursachen. Um das, was wirklich hinter dem Schimpfen steckt, selbst wenn du es gar nicht willst.
Warum Schimpfen kein Zeichen von Schwäche ist
Welche inneren und äußeren Faktoren dich triggern
Wie du dir selbst mit mehr Verständnis begegnen kannst
Und was du tun kannst, wenn du Veränderung willst

Viele Eltern merken erst im Nachhinein, wie automatisch sie reagiert haben. Das Schimpfen kommt wie aus dem Nichts - und oft klingt es verdächtig nach der eigenen Kindheit. Kein Wunder: Unser Gehirn greift in Stresssituationen bevorzugt auf altbewährte Wege zurück, auch wenn diese nicht mehr hilfreich sind. Wenn du selbst mit Schimpfen groß geworden bist, fühlt es sich manchmal fast „normal“ an, in bestimmten Momenten laut zu werden. Besonders dann, wenn du gerade keine andere Strategie parat hast.
Hinzu kommt: In vielen Umgebungen ist Schimpfen noch immer gesellschaftlich akzeptiert. Es wird nicht hinterfragt, sondern als „Erziehung“ getarnt. Erst wenn du bewusst hinschaust, merkst du, wie tief dieses Muster sitzt.
Dein Tag war voll, dein Kopf ist laut, du hast vielleicht seit Stunden nichts Warmes gegessen – und dann fordert dich dein Kind. Schon wieder. In solchen Momenten reagierst du nicht über, weil du zu wenig Geduld hast. Du reagierst über, weil du längst an der Grenze bist – körperlich, emotional, mental. Wenn dein Nervensystem dauerhaft auf „Alarm“ läuft, braucht es keinen großen Auslöser mehr. Dann reicht ein Satz, ein Blick, ein „Nein“ vom Kind – und du explodierst innerlich.
Viele Eltern leben in einem Zustand permanenter Anspannung. Es gibt keine echten Pausen, keine Rückzugsorte, keine echten Entlastungen. Kein Wunder, wenn der Druck sich irgendwann entlädt – oft an der falschen Stelle.
Du willst es gut machen. Liebevoll. Klar. Geduldig. Und gleichzeitig auch den Haushalt schaffen, gesund kochen, präsent sein, arbeiten, fair sein, verbunden bleiben. Du hast vielleicht schon viel gelesen, Podcasts gehört, Kurse gemacht. Und trotzdem passiert es: Du wirst laut.
Diese Diskrepanz zwischen dem, was du dir vorgenommen hast, und dem, was dir gelingt, kann dich tief verunsichern. Wenn dein Kind dann auch noch „nicht mitspielt“, entsteht das Gefühl, zu versagen. Und aus dieser Ohnmacht heraus wird oft Ärger. Vielleicht kennst du den Gedanken: „Alle anderen kriegen das doch auch hin, warum ich nicht?“ Genau diese Härte gegen dich selbst lässt dich leichter in Druck, Frust und letztlich Schimpfen kippen.
Manche Situationen mit deinem Kind berühren etwas in dir, das viel älter ist als das aktuelle Geschehen. Wenn dein Kind schreit, sich verweigert, dich ignoriert, kann das unbewusst Erinnerungen wachrufen: an Situationen, in denen du selbst nicht gehört, nicht verstanden, nicht gehalten wurdest. Als du selbst das Kind warst.
Oft reagieren wir über, weil ein alter Schmerz aufbricht. Obwohl du „mit dem Kopf“ weißt, dass dein Kind nicht dein Gegner ist, reagiert dein Körper, als wäre Gefahr im Verzug. Und genau in solchen Momenten wird Schimpfen zur Schutzreaktion. Eine Reaktion, die nicht zum Hier und Jetzt gehört, sondern aus deiner Vergangenheit stammt.
Dein Kind ist nicht die Ursache, sondern lediglich der Auslöser deines Triggerpunktes. 
Auch wenn du es besser weißt: In stressigen Momenten meldet sich oft eine innere Stimme, die sagt: „Kinder müssen doch lernen, was richtig und falsch ist.“ Oder: „Wenn ich da jetzt nicht eingreife, tanzt es mir bald auf der Nase herum.“
Diese inneren Überzeugungen stammen aus einem alten Erziehungsbild, vielleicht von deinen Eltern oder aus der Gesellschaft. Dort galt Schimpfen als notwendiges Mittel zur Grenzsetzung. Liebevolle Begleitung, Bedürfnisorientierung oder Selbstregulation waren damals keine großen Themen. Auch wenn du heute anders erziehen willst, wirken diese Prägungen weiter. Sie tauchen besonders dann auf, wenn du müde bist, überfordert oder in Eile.
Schimpfen wirkt dann wie eine Art Rückversicherung, obwohl es sich weder richtig noch verbindend anfühlt.
Es ist paradox: Eltern achten den ganzen Tag auf die Bedürfnisse ihrer Kinder - und vergessen dabei oft die eigenen! Du merkst, dass du Hunger hast, aber isst trotzdem nicht. Du brauchst Ruhe, aber kümmerst dich noch um tausend Dinge. Du sehnst dich nach Rückzug und findest ihn einfach nicht.
Wenn du selbst dauerhaft im Mangel bist, hat dein Nervensystem kaum noch Spielraum. Du reagierst schneller, impulsiver, ungeduldiger. Und ja, du schimpfst auch leichter. Nicht, weil dein Kind „so schwierig“ ist, sondern weil du selbst gerade nichts mehr zum Geben hast.
Du bist kein schlechter Mensch, wenn du leer bist. Aber du brauchst eine Füllung und nicht noch mehr Anforderungen.
Gerade Eltern, die es besonders gut machen wollen, neigen dazu, eigene Grenzen zu übergehen. Du sagst zu etwas „Ja“, obwohl sich in dir alles dagegen sträubt. Du bleibst geduldig, obwohl du innerlich schon längst „Stopp“ rufen willst. Du lässt dein Kind gewähren, obwohl du spürst: Es tut dir nicht gut.
Diese Form der Selbstverleugnung fühlt sich am Anfang an wie Harmonie, aber sie rächt sich. Denn die Wut kommt trotzdem. Irgendwann. Nur eben nicht bewusst und klar, sondern unterdrückt und dann plötzlich laut. In Form von Schimpfen. Und dann bist du nicht nur wütend auf dein Kind, sondern, wenn du ehrlich bist, vor allem auf dich selbst.
Du willst, dass dein Kind hört. Dass es sich anzieht, das Geschirr wegräumt, mitmacht. Wenn es das nicht tut, fühlst du dich ohnmächtig. Vielleicht sogar bloßgestellt. Du spürst, wie du die Kontrolle verlierst und das macht Angst.
Doch diese Angst zeigst du nicht. Statt Unsicherheit kommt oft Härte. Du wirst streng, laut, bestimmend. Nicht, weil du Macht willst, sondern weil du Sicherheit brauchst. Schimpfen wird zur Methode, dich wieder handlungsfähig zu fühlen. Auch wenn du innerlich spürst: Eigentlich wolltest du das gar nicht.
Sobald andere dabei sind, Großeltern, andere Eltern, selbst Fremde, verändert sich oft das eigene Verhalten. Wenn dein Kind in der Öffentlichkeit auffällt, tobt, schreit oder „nicht gehorcht“, spürst du sofort den Druck: „Jetzt schauen alle.“ Und plötzlich möchtest du beweisen, dass du „alles im Griff“ hast.
Der Blick von außen wird zum unsichtbaren Zuschauer deiner Erziehung. Und aus der Angst, negativ beurteilt zu werden, entsteht schnell der Reflex: Schimpfen. Weil du andernfalls das Gefühl hast, sonst die Kontrolle (und deinen Ruf) zu verlieren.
Du willst nicht schimpfen. Du hast es dir vorgenommen. Du hast vielleicht sogar schon viele Tipps gelesen. Und trotzdem passiert es. Immer wieder. Nicht, weil du nicht willst. Sondern weil dir im entscheidenden Moment die Alternative fehlt.
Wenn du nicht weißt, wie du anders reagieren kannst, bleibt nur das, was du kennst: Drohen. Laut werden. Weggehen. Und danach: das schlechte Gewissen.
Gute Vorsätze sind wichtig, aber du brauchst ganz konkrete Alternativen, sonst bleiben sie Theorie.
Schimpfen fühlt sich selten gut an. Und doch passiert es! Manchmal sogar mehrmals am Tag. Viele Eltern versuchen dann, sich mit Disziplin oder Selbstkritik zu verändern. Aber echter Wandel beginnt woanders: beim Verstehen.
Wenn du begreifst, warum du schimpfst, öffnet sich etwas in dir. Kein Freifahrtschein, keine Ausrede, sondern ein ehrlicher Blick auf das, was in dir wirkt. 
Es geht nicht darum, dich zu rechtfertigen. Es geht darum, dich zu erkennen. Und erst wenn du dich selbst besser verstehst, kannst du neue Wege entdecken.
Verstehen bedeutet nicht, dass du alles gutheißt.
Aber es schenkt dir die Möglichkeit, bewusst anders zu handeln.
Was dieser Artikel bewusst nicht tut
Vielleicht hast du an dieser Stelle eine Liste mit Tipps erwartet. Sofort umsetzbare Lösungen. Klare Strategien.
Doch dieser Artikel will erst mal etwas anderes:
Er möchte Verständnis schaffen, bevor er nach Veränderung ruft.
Denn ohne echtes Verständnis greifen Lösungen oft ins Leere.
Er verurteilt dich nicht, auch dann nicht, wenn du laut wirst.
Denn das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen oder einer schlechten Mutter.
Es zeigt nur: Du bist an einem Punkt, der Aufmerksamkeit verdient.
Und dieser Artikel schreibt dir nichts vor.
Er lädt dich ein, ehrlich hinzusehen.
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„Ich will da raus. Ich will nicht mehr schimpfen. Aber ich weiß nicht wie.“
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© Mag. Barbara Hüttner